Smart Home: Unabhängigkeit als Mehrwert

Ein Hausbesuch bei STROMDAO-CTO Thorsten Zoerner

 

Stellt euch vor, ihr kommt nach der Arbeit nach Hause, parkt euer E-Auto in der Garage, wo es genau so weit aufgeladen wird, wie ihr es für eure Arbeitswege des nächsten Tages braucht. Ihr tretet von der Garage in den Keller: Automatisch geht das Licht an, sodass ihr nicht im Dunkeln tappt. In der Küche nehmt ihr ein kühles Bier aus dem intelligenten Kühlschrank, der auch die Lebensmittel bestellt hat, die jetzt auf der Anrichte darauf warten, eingeräumt zu werden. Ihr lasst sie noch ein wenig warten und geht ins Wohnzimmer: Dort fahren automatisch die Jalousien hoch, um die Strahlen der Abendsonne einzulassen. Apropos Sonne: Es war ein heißer Tag, doch alle eure Räume haben genau die Temperatur, in der ihr euch am wohlsten fühlt.

Eine Nachricht auf eurem Handy sagt euch, dass die PV-Anlage auf eurem Dach genug Strom produziert hat, um den großen Akku in eurem Keller vollständig aufzuladen – eine gute Gelegenheit, günstig zu Wäsche zu waschen. Und da ihr die Waschmaschine am Morgen schon befüllt habt, genügt ein Tipper aufs Display; der Waschgang beginnt.

Mit eurem Bier in der Hand wandert ihr ins Schlafzimmer, um endlich den Anzug fürs Büro gegen etwas Bequemeres einzutauschen. Dabei folgt euch euer aktuelles Lieblingslied. Oder darf es lieber ein True Crime Podcast sein? Eure Mediensteuerung hält beides für euch bereit.

So ähnlich stellen sich wohl viele das Leben in einem Smart Home vor.

Die gute Nachricht: Vieles davon ist bereits möglich.

Die weniger gute Nachricht: Der Weg dahin ist doch etwas weiter. Und er beginnt – wie so vieles in dieser Serie zur ESA-Rolle auf dem deutschen Strommarkt – mit den Daten.

 

Was macht der Smart Meter auf der Baustelle?

„Eine leider etwas aus der Mode gekommene Tugend ist es, erst zu urteilen, wenn man verstanden hat“, so definiert Thorsten Zoerner, CTO von STROMDAO, einen Kern seiner Philosophie und fährt fort: „In der Wohnung, in der wir vorher gelebt haben, hatten wir keinen Smart Meter. Und somit habe ich unseren Strombedarf nicht verstanden.“

Als Thorsten und seine Frau ihr neues Haus gebaut haben, ließen sie schon für den Baustrom einen Smart Meter installieren, um verlässliche Daten zu gewinnen, wie sich der Strombedarf vom Bau über den Bezug und bis heute entwickelt – im zeitlichen Verlauf und in Hinblick auf die unterschiedlichen Endgeräte.

Ein nützlicher Nebeneffekt: Eines Abends meldete der Smart Meter, dass im Rohbau kein Strom mehr verbraucht wird – gerade in der Phase der Estrichtrocknung. Die Wärmepumpe was ausgefallen, doch Thorsten konnte rechtzeitig reagieren. Normalerweise wäre dies erst Tage später aufgefallen und hätte wahrscheinlich am Estrich oder an den Fliesen einen Schaden verursacht.

 

Schritte in die Unabhängigkeit

Thorsten und seine Frau haben bereits bei der Planung und beim Bau des Hauses einen Schwerpunkt auf effizientes Wirtschaften mit Energie gesetzt: Durch die von Beginn an installierte Erdwärmepumpe kann etwa 50 % der notwendigen Energie für die Klimatisierung vor Ort erzeugt werden. Hinzu kam – von Anfang an eingeplant, doch erst fünf Jahre später beauftragt – eine PV-Anlage, die etwa 30 Prozent der benötigten elektrischen Energie erzeugt. Über einen Speicher lassen sich zudem Erzeugung und Bedarf besser abstimmen. So werden ca. 80 % des von der PV-Anlage produzierten Stroms direkt vor Ort genutzt. Entsprechend müssen sie nicht ins Stromnetz eingespeist und dann später mit Aufschlag „zurückgekauft“ werden. Insgesamt ließ sich so der Bedarf des Vier-Personen-Haushaltes an „Zukaufstrom“ auf das Niveau eines Ein-Personen-Haushaltes absenken.

Hinter all dem steckt eine klare Philosophie – und es ist nicht die einer kurzfristigen Rendite auf Kosten anderer: „Vor der Installation der PV-Anlage haben wir natürlich viele Angebote eingeholt. Jedem Anbieter haben wir explizit gesagt, dass das Gespräch sofort beendet ist, wenn uns als Kaufargument eine Renditeberechnung präsentiert wird“, erläutert Thorsten. Es habe ein Jahr gedauert, bis er und seine Frau einen Anbieter gefunden hatten, der keine falschen Versprechungen machte.

Statt kurzfristiger Verzinsung war das Ziel eine nachhaltige Planbarkeit der Abhängigkeit von externen Faktoren im Alter. Dabei machen die Energie- und Brennstoffkosten einen nicht unerheblichen Anteil aus. Thorstens Frau Sandra hat zu diesem Thema – „Vorsorge für das Rentenalter durch den Einsatz von brennstoffkostenfreier Energienutzung“ – ihre Diplomarbeit geschrieben. Das kommt euch bekannt vor? Klar, denn dieser Ansatz gehört zum Kern des Geschäftsmodells von STROMDAO.

„Ganz unabhängig werden wir wohl nicht werden, doch zumindest deutlich unabhängiger“, fasst Thorsten zusammen.

 

Von den Daten zur Information

Mit der Installation von Wärmepumpe, PV-Anlage und Speicher ist es nicht getan. Der Erzeugung steht der Verbrauch gegenüber: Eine Optimierung der verwendeten Energiemengen senkt nicht nur den Zukaufbedarf, sondern ermöglicht auch einen intelligenten Einsatz der gewonnenen Elektrizität – und somit noch mehr Unabhängigkeit von den Schwankungen des Energiemarktes.

Für eine solche Optimierung sind jedoch Daten nötig. Daten, die zum Teil über das Smart Meter erfasst werden. Außerdem hat Thorsten in seinem Haus eine Multi-Level-Sensorik verbaut, die nicht nur Stromflüsse erfasst.

Doch Daten allein bringen noch keine Optimierung. Sie müssen in Informationen übersetzt werden. Dafür sorgt ein Energie-Management-System, das im ersten Schritt die Energieflüsse visualisiert. Auf Basis dieser Informationen ist es dann zunächst an den menschlichen Bewohnern des Hauses, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

 

Von der Information zur Entscheidung

Bei der Analyse des Strombedarfs denken viele völlig korrekt vorrangig an potenzielle Stromfresser: Sobald man diese identifiziert hat, stellt sich die Frage, ob man sie abschalten bzw. durch effizientere Technik ersetzen kann.

War euch zum Beispiel bewusst, dass viele Türklingeln aufgrund der verwendeten Trafos kontinuierlich Strom ziehen? Thorsten hat deswegen die ursprünglich installierte Klingel Marke „Hightech mit allem drin“ direkt am ersten Tag der Installation wieder vom Netz genommen. Zwar brauchen diese Geräte nicht viel, hat man aber mehrere solche Verschwender im Haushalt, summiert sich das rasch.

Darüber hinaus erlauben die aus den Stromdaten gewonnenen Informationen kurzfristige, taktische Entscheidungen: Lohnt es sich zum Beispiel, jetzt meine Waschmaschine anzuwerfen oder soll ich damit noch warten? „Betanke“ ich mein E-Auto vollständig – vielleicht, weil gerade die Sonne scheint und es am nächsten Tag regnen soll – oder lade ich es nur so weit auf, dass es für den Weg zur Arbeit reicht?

Doch natürlich liegt die Königsdisziplin in den langfristigen, strategischen Planungen – Entscheidungen dazu also, wie sich die Ressourcen des Hauses optimal nutzen lassen. Dazu ein kurzes Beispiel, das Thorsten in seinem Haus umgesetzt hat:

Der August ist oft der heißeste Monat des Jahres. Doch Klimaanlagen gelten als Stromfresser, die man möglichst wenig nutzen sollte, oder? Die intuitive Vernunft würde es daher gebieten, die Innenräume lieber mittels Rollladen zu beschatten, um ein Aufheizen passiv zu verhindern.

Die Daten, bzw. die daraus gewonnenen Informationen, zeigten Thorsten jedoch einen besseren Weg: Wenn es heiß ist, scheint auch die Sonne. Die PV-Anlage produziert daher mehr Strom als normalerweise benötigt. Thorsten nutzt diesen Strom nun, um das Haus aktiv zu kühlen – mit der Erdwärmepumpe. Die funktioniert in beide Richtungen: Die bei der Klimatisierung anfallende Wärme wird dabei im Estrich und im Erdreich gespeichert und lässt sich zumindest teilweise in den kälteren Monaten des Jahres nutzen.

 

Von der Entscheidung zur Automatisierung

Idealerweise merkt sich ein Smart Home die Entscheidungen seiner Bewohner und erlernt so Regeln für die Automatisierung. Dazu müssen die Entscheidungen jedoch nach vorgegebenen Parametern bewertet werden. So kann es etwa sein, dass einer der Bewohner aufgrund einer anstehenden längeren Fahrt sein E-Auto ausnahmsweise vollständig aufladen lässt, obwohl es aktuell nicht besonders günstig ist. Es wäre nun fatal, wenn das System daraus lernen würde, das Auto stets vollständig zu laden.

Erweist sich eine Entscheidung jedoch als energetisch günstig und wird mehrfach getroffen, handelt es sich dabei um etwas, was sich möglicherweise automatisieren lässt.

 

Die Ebenen von Automatisierung

Das Smart Home von Thorsten unterscheidet dabei mehrere Level von Automatisierung:

Zum einen laufen Vorgänge wie die eben beschriebene aktive Kühlung ab August automatisiert ab, wenn sie einmal gelernt sind, ebenso das effiziente Laden der E-Fahrzeuge. Auch reaktives Verhalten – etwa, dass die Beleuchtung sich einschaltet, wenn es die Lichtverhältnisse erfordern und jemand den Raum betritt, bzw. umgedreht: dass das Licht verlischt, wenn niemand mehr im Raum ist – gehört in diese Kategorie der Automatisierung.

Doch das Smart Home von Thorsten folgt den Bewohnern nicht nur passiv, sondern gibt ihnen kleine Stupser („Nudges“), um ihr Verhalten positiv zu beeinflussen: So meldet etwa die Push-Nachricht auf dem Handy, dass das Brot fertig gebacken ist. Oder das Licht im Wohnzimmer schaltet sich ein und zeigt so an, dass der Speicher voll aufgeladen ist – eine gute Gelegenheit zum günstigen Wäschewaschen.

Zu den Nudges gesellen sich die „Alerts“: Das Smart Home erkennt nicht gewünschte Zustände und weist darauf hin. Das kann der Ausfall des Gefrierschrankes ebenso sein wie das vergessene Öffnen eines Fensters, wenn im Kaminofen ein nettes Feuerchen flackert.

Kurz: Das System verwandelt erfasste Daten in Informationen und gibt diese an die Bewohner weiter, die darauf reagieren – sei es in ihrem Verhalten, sei es in den Vorgaben für das System.

Über alle Level der Automatisierung lernt das Smart Home dabei nicht nur stur die Regeln: Da es von den Entscheidungen der Bewohner gefüttert wird – und umgedreht durch das Bereitstellen von Informationen deren Verhalten beeinflusst –, passt sich das System an diese Menschen an und wird so zum Erfüllungsgehilfen ihrer Lebensauffassung.

 

Das Jetzt und das Morgen des Smart Homes

Da Thorsten das System von Anfang an modular ausgelegt hat, ließ es sich leicht erweitern. Auch zusätzliche Sensoren sind einfach zu integrieren. Thorsten ist selbst ein wenig überrascht, wie gut das System gealtert ist – obwohl es zu Beginn noch keine echten Standards gab und der Aufbau sehr viel Learning and Defining by Doing erforderte. Auch heute zeigt sich die Technik, die zum Teil bereits mehr als ein Jahrzehnt auf dem Buckel hat, aktuell und auf dem Stand der Leistungsfähigkeit.

Mit dem Einbau des Speichers so wie der Integration der Elektromobilität – Thorsten und seine Frau fahren beide Auto, außerdem besitzen sie mehrere elektrisch betriebene Roller – ist das Smart Home fürs Erste technisch vollständig ausgestattet. Einzig der Wunsch, die Elektromobilität bidirektional einzubinden, die Elektrofahrzeuge also auch als Speicher für das Haus zu verwenden und so die Vorteile der elektrischen Mobilität noch stärker auf die Immobilität zu übertragen, lässt sich noch nicht erfüllen. Das hat vorrangig rechtliche Gründe, die aber wiederum dazu führen, dass entsprechende Systeme, obwohl bereits entwickelt oder zumindest in der Entwicklung, noch nicht auf dem Markt sind.

Die Technik des Smart Homes steht also, zumindest nach dem aktuellen Stand des Machbaren. Doch ist damit auch Thorstens Arbeit beendet, sein Zuhause smart zu machen? Nein!

In Zukunft wird es aber vorrangig darum gehen, das Potenzial der erfassten Daten und der daraus gewonnenen Informationen auszuschöpfen und so einen Mehrwert für die Bewohner zu generieren.

Dieser Mehrwert muss nicht wirtschaftlicher Natur sein, auch wenn Thorsten es sich zum Ziel gesetzt hat, noch unabhängiger vom Energiemarkt zu werden. Oft geht es um eine konkrete Verbesserung der Lebensqualität – im Großen wie im Kleinen.

Der STROMDAO-CTO skizziert dazu ein Beispiel: „Meine Frau und ich betreten das Haus vor allem über die Garage. Da unser Haus an einem Hang steht, bedeutet das, dass wir als erstes in den Keller gehen, in dem es kein natürliches Licht gibt. Wir kommen also aus einem erleuchteten Raum in die Finsternis. Nicht sehr angenehm – und gerade, wenn man Einkäufe trägt, auch nicht ganz ungefährlich. Ein Bewegungssensor würde uns erst registrieren, wenn wir im Raum drin sind. Die ersten Schritte tappen wir also im Wortsinne im Dunklen. Die Lösung war jedoch denkbar einfach: Ein Sensor – eigentlich ein simpler Schalter – an der Tür von der Garage zum Keller. Wird die Tür geöffnet, schaltet sich das Licht ein.“

Doch welches Potenzial ruht denn noch in den Daten, gerade in denen zum Stromverbrauch? Das ist vielleicht noch gar nicht vollständig abzuschätzen. Denn die Antwort liegt in den Fragen, die man dem System stellt; diese Fragen, die sich vielleicht wiederum erst aus Auffälligkeiten in den Daten ergeben, müssen erst gefunden werden.

Natürlich wird es immer wieder darum gehen, Energie und andere Ressourcen immer effizienter zu nutzen. Doch die Daten erlauben auch zahlreiche Nebennutzen, die das ganze Haus zum Beispiel resilienter machen und Risiken minimieren, wie das Beispiel mit der ausgefallenen Wärmepumpe während des Baus gut illustriert.

Darüber hinaus erlauben die Daten einen Rückschluss auf das Verhalten der Bewohner im Haus: Wer ist gerade wo anwesend? Dabei muss man nicht gleich an einen passiven Einbrecheralarm denken, der anschlägt, wenn jemand im Haus ist, obwohl die Bewohner sich abwesend gemeldet haben.

Umgedreht lässt sich nämlich auch erkennen, wenn jemand nicht im Haus ist, der eigentlich da sein sollte, was in der Betreuung von Pflegebedürftigen eine Rolle spielen könnte. Gerade ältere Menschen mit beginnender Demenz zieht es oft in die Welt hinaus. Die pflegenden Personen werden so rascher informiert, wenn wieder einmal solch ein unangemeldeter Ausflug stattfindet.

Ein letzter, aber besonders wichtiger Aspekt: Was auch immer das Smart Home tut und erfasst – wir müssen uns auf die so generierten Informationen verlassen können. Und das ist, was ein Smart Home vielleicht wirklich smart macht: Wir vertrauen ihm – (hoffentlich) mit Recht.

Ein solches Vertrauen herzustellen, wird in Zukunft auch die zentrale Aufgabe eines ESAs sein, so wie wir bei STROMDAO diese neue Rolle verstehen. Und um diese Aufgabe, das Schaffen von Vertrauen, sowie um das Potenzial der Daten wird es in der letzten Folge unserer Artikelserie gehen. Es lohnt sich also, dranzubleiben und jetzt unseren Newsletter zu abonnieren, wenn ihr das noch nicht getan habt.