„Blockchain bringt den Stromkunden digitales Vertrauen und Transparenz“

Noch vor einigen Jahren galt sie als Revolution im Stromhandel - die Blockchain. Die einen sahen in der Technologie ein großes Potenzial, Prozesse einfacher, günstiger, schneller zu machen, kurz umzukrempeln. Die anderen fürchteten „den Tod der Strombörsen“. Nichts davon ist eingetreten. Stattdessen hatte man zuletzt dein Eindruck, der Hype wäre vorbei, das Thema Blockchain geriet etwas in Vergessenheit.

Thorsten Zoerner, Geschäftsführer und Mitbegründer des Grünstrom-Versorgers Stromdao, ist nach wie vor überzeugt vom Potenzial der Blockchain für die Energiewirtschaft. Viele Projekte hätten die Vorteile der Block- chain nicht verstanden oder falsch genutzt und seien deswegen wieder in der Mottenkiste gelandet, sagt Zoerner im Gespräch mit MBI-Energy 4.0. „Blockchain ist ein probates Mittel, digitales Vertrauen in Projekte zu integrieren. Blockchain-Daten sind unveränderbar, schaffen Transparenz, sind vom Erzeuger signiert, sie liegen in der digitalen Welt parallel vor und sind somit gut gegen Hackerangriffe geschützt.“ Die Blockchain könne, um ein Beispiel zu nennen, als neutrales Werkzeug für Transparenz für Stromherkunft und Strompreise genutzt wer- den, und so im Sinne des Verbraucherschutzes für Transparenz in der Stromlandschaft sorgen. Denn Vergleichsportale haben wirtschaftliche Interessen und können Auswahlparameter für die am besten gelisteten Anbieter anpassen, Stromlabels verleihen gegen Geld Ökostromsiegel.

Erzeugungsdaten werden automatisch hinterlegt

Eine Blockchain-basierte automatisierte Plattform für den Strompreisvergleich und für Herkunftsnachweise wäre dagegen ein neutrales und transparentes Bewertungswerkzeug, so Zoerner.

Sein Unternehmen Stromdao macht dies konkret bei dem Tarif Corrently an zwei Stellen: Einmal wenn die Kun- den Ökostrom aus der Region nutzen, als Nachweis für die Postleitzahl aus der geliefert wurde, die Uhrzeit und die Kilowattstunden. Aus dem regionalen Grünstromverbrauch generiert ein Algorithmus Bonuspunkte, die die Kunden in Anteile an Photovoltaikfreiflächen eintauschen können.

Blockchain liefert auch Eigentumsnachweis

Zweitens wird die Blockchain als Nachweis für die Eigentumsanteile der Kunden an den Freiflächenanlagen und der daraus generierten Erzeugung genutzt, die mit dem Kundenverbrauch verrechnet wird. „Weil diese Informationen in der Blockchain unveränderbar hinterlegt sind, können unsere Kunden ihre gesammelten Anteile für Eigenerzeugung auch bei einem Umzug innerhalb Deutschlands mitnehmen. Das ist quasi eine lebenslange Daseinsvorsorge auf Blockchainbasis“, fasst Zoerner zusammen. „Unternehmen die klimafreundlichen, sicheren und bezahlbaren Strom anbieten, sollten sich immer mit Blockchain befassen“, rät der Experte.

Jede Blockchain ist vom Ersteller oder der Erstellerin signiert. Das ist verpflichtend. Somit ist jederzeit nachvollziehbar, wer eine Datenkette erzeugt hat, zum Beispiel eine Biogasanlage, ein Stromspeicher oder eine Photovoltaikanlage. In der Folge werden alle Erzeugungsdaten in dieser Datenkette hinterlegt. Der Herkunfts- nachweis ist also in der Datenkette immanent. Mit einer öffentlichen Plattform, in der Blockchain-Herkunftsda- ten für Verbraucher einzusehen sind, könnten sogar Ökostrom-Labels entfallen, erläutert der Stromdao-Chef weiter. Denn diese Labels haben den Nachteil, dass sie käuflich sind, also von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst werden. Informationen in einer Erzeuger-Blockchain werden dagegen automatisch erzeugt, liegen parallel an vielen Stellen im Netz vor und seien praktisch nicht zu manipulieren. Das könne Neutralität, Sicherheit und Vertrauen schaffen.

In Deutschland fehlen Vertrauen und technisches Verständnis

Neben dem genannten Beispiel im Bereich der Erneuerbaren sieht er auch einen Einsatz bei der Sektoren- kopplung. Für eine zuverlässige, sichere Versorgung mit volatilen Energien sei Blockchain die ideale Dokumen- tations- und Kommunikationstechnik. Und was kann die Blockchain in der Energiewirtschaft nicht leisten? „Blockchain ist Pool-Kommunikation“, antwortet Zoerner. „Sie ist stark, wenn es um sicheren, nachvollziehba-
ren Austausch von Informationen zwischen vielen Beteiligten geht. Das ist in der dezentralen Versorgung mit
erneuerbaren Energien und vielen Akteuren der Fall. Sie macht aber keinen Sinn, wenn ausschließlich Kommu-
nikation zwischen zwei Akteuren stattfindet. Kurz und knapp: Für die neue Energiewelt ist Blockchain sinnvoll, für die alte nicht.“

Ein Problem ist seiner Einschätzung nach in der Praxis häufig, das Vertrauen in die Digitalisierung und Automa- tisierung zu gewinnen. Dazu sei technisches Verständnis notwendig. Gerade in Deutschland gebe es eine große Angst vor dem gläsernen Menschen. „Denken Sie an die Bedenken beim Smart Meter Rollout“, sagt Zoerner.

Dabei brauche die neue Energiewelt zuverlässige und bezahlbare Intelligenz und Kommunikation und genau das könne die Blockchain bieten.

Ein weiteres Problem sei, dass für neue digitale Technik auch die Anwendungen neu gedacht werden müssen. Wenn man versuche, neue Technik auf alte Verfahren aufzusetzen, mache das meistens keinen Sinn, weil dann zwei Systeme nebeneinander existierten, so der Experte. „Das wäre wie der Heizer auf der E-Lok.“

Den oft genannten Kritikpunkt des hohen Stromverbrauchs und der damit verbundenen Kosten, der auch im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin oft genannt wird, lässt Zoerner für die Energiebranche unterdessen nicht gelten: „Blockchain in der Energiewelt ist kein Bitcoin Mining“, sagt er. Der Energieaufwand sei wesentlich geringer. In der Energiewirtschaft nutze die Blockchain echte Werte, die sowieso erzeugt würden - zum Beispiel Zählerstände für Erzeugung und Verbrauch von Strom. Bitcoin Mining, also die Erzeugung von Währung, ist ein mathematischer Vorgang, der viel Rechenleistung benötigt und damit einen hohen Energie- und Zeitaufwand, also nicht nur hohe Kosten sondern auch einen hohen CO2-Ausstoß verursacht. In der Energiewirtschaft kommen diese Probleme nicht zum Tragen - im Gegenteil: „Für uns als Ökostromanbieter mit unserem bundesweiten regionalen Grünstromangebot ist Blockchain die günstigste und sicherste Form der Produktumsetzung. Mit Punkt-zu-Punkt-Kommunikation wären unsere Prozesse unbezahlbar“, sagt Zoerner.

Marie-Thérèse Pfefferkorn, MBI-Energy 4.0